Die Wildbienen stecken in Schwierigkeiten – so kannst du helfen

Gastbeitrag von Marie von Stadtbienen 

Die Honigbiene kennt jedes Kind. Seit Karel Gott in den 1970er Jahren die Titelmelodie für die Zeichentrickserie über Deutschlands bekannteste Biene einsang, hat sich in der Welt der Insekten viel geändert. Die Biomasse der Fluginsekten in Deutschland ist um 75 Prozent geschrumpft; dabei sind zahlreiche Arten für immer verloren gegangen.

Welche Ursachen diesen Verlust befeuern, wie wir das Artensterben aufhalten können und wie du einen Beitrag dazu leisten kannst, verraten wir dir in diesem Artikel. Dabei stellen wir dir die Wildbienen vor, über die du bestimmt weniger weißt als über die Honigbiene.

Die Honigbiene gehört zu unseren wichtigsten Nutztieren.Die Honigbiene gehört zu unseren wichtigsten Nutztieren.

Die Honigbiene als Symboltier für den Insektenschutz

Wenn von “Bienen” die Rede ist, denkst du wahrscheinlich an die Honigbiene. Mit ihrem gelb-braunen Pelz und ihrem Image als fleißige Teamplayerin ist sie zum beliebten Symboltier für den Insektenschutz geworden. Die Honigbiene hat tatsächlich große Probleme: Fast jedes Bienenvolk in unseren Breiten ist heute vom Menschen abhängig. Als drittwichtigstes Nutztier Deutschlands (hinter Rind und Schwein) müssen wir uns um ihren Bestand aber keine großen Sorgen machen – ein Tier, das für unsere Wirtschaft so wichtig ist, wird zumindest nicht aussterben. 

Die wilden Schwestern der Honigbienen

Anders sieht es bei den Wildbienen aus. Von den rund 600 Wildbienenarten, die in Deutschland heimisch sind, steht mehr als die Hälfte auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Im Gegensatz zu Honigbienen, die in Staaten von bis 60.000 Tieren leben, sind 90 Prozent aller Wildbienenarten Einzelgänger. Nur wenige Arten, darunter Hummeln, nisten in kleinen Gruppen. Diese Lebensweise macht Wildbienen anfällig. Für ihre desolaten Zukunftsaussichten ist jedoch ein Zusammenspiel verschiedener Ursachen verantwortlich.

In unseren Breiten unterscheidet man etwa 40 Hummelarten – alle gehören zu den Wildbienen.

In unseren Breiten unterscheidet man etwa 40 Hummelarten – alle gehören zu den Wildbienen.

Die Top 5 Ursachen für den Artenverlust

1. Wildbienen sind Spezialistinnen

Während Honigbienen den Pollen und Nektar vieler unterschiedlicher Pflanzen sammeln können, sind viele Wildbienenarten sehr wählerisch. Es gibt Arten, die auf eine einzige Pflanzenfamilie spezialisiert sind – zum Beispiel die Natterkopf-Mauerbiene, die Pollen ausschließlich am Natterkopf (Echium) sammelt. Wo keine Vertreter dieser Pflanzenfamilie wachsen, hat auch die entsprechende Wildbienenart keine Überlebenschancen.

2. Lebensräume werden knapp

50 Prozent aller Wildbienenarten (z. B. Sandbienen und Seidenbienen) nisten im Boden. 20 Prozent nutzen Nisthöhlen von Pflanzen, z. B. Schilfröhrchen oder Löcher im Holz. Viele Arten sind so hochspezialisiert, dass selbst ein verlassenes Schneckenhaus als Nest dienen kann. In Deutschland werden täglich (!) 45 Hektar Boden versiegelt; fast die Hälfte der gesamten Fläche Deutschlands wird landwirtschaftlich genutzt. Nist- und Futterplätze, die den Bedürfnissen von bestäubenden Insekten gerecht werden, sind deshalb rar.

50 Prozent aller Wildbienenarten nisten im Boden.

50 Prozent aller Wildbienenarten nisten im Boden.

 Schon gewusst? Die Honigbiene legt zwischen Bienenbehausung und Nektar- und Pollenquelle bis zu fünf Kilometern zurück. Für Wildbienen sollte die Entfernung zwischen Nistplatz und Futterstelle 150 Meter nicht überschreiten. Ein optimales Wildbienenhabitat muss deshalb auf kleinem Raum Nistplätze und Futter enthalten.

 

3. Pestizide und Düngemittel schwächen und töten die nützlichen Bestäuber

Der Anbau von Nutzpflanzen in großflächigen Monokulturen macht diese besonders empfindlich gegenüber Schädlingen, weshalb in der konventionellen Landwirtschaft der Einsatz von Herbiziden und Insektiziden üblich ist. Zur “optimalen” Landnutzung werden vielfältige, strukturreiche Flächen von Monokulturwüsten verdrängt. Bei der Jagd des Menschen nach dem maximalen Ertrag heiligt der Zweck jedes Mittel. Bestäubende Insekten haben deshalb in der Stadt bessere Karten als auf dem Land – absurd, oder?

Monokulturen verdrängen Lebensräume für bestäubende Insekten.
Monokulturen verdrängen Lebensräume für bestäubende Insekten.

4. Die Bestäubungsleistung von Wildbienen und anderen Insekten wird unterschätzt

Honigbienen haben eine große Fangemeinde, eine starke Lobby und eine Geschichte, die mit der des Menschen seit Tausenden von Jahren verwoben ist. Über das Leben und Wirken der Wildbienen ist vergleichsweise wenig bekannt. Wissenschaftliche Erkenntnisse legen nahe, dass das Sammel- und Aktivitätsverhalten von Wildbienen sich von dem der Honigbienen unterscheidet – die Arten ergänzen einander und sorgen gemeinsam für eine qualitativ und quantitativ optimale Bestäubung! 

 Schon gewusst? Die Hälfte aller Blütenbesuche werden von anderen bestäubenden Insekten getätigt, darunter Schmetterlinge, Käfer, Motten, Fliegen und Ameisen.

 

5. Die menschengemachte Klimakrise verändert Jahreszeiten und Landschaften

Honigbienenvölker passen ihren Lebenszyklus an die Blühphasen der Pflanzen an. Als Folge der Klimakrise und ihrer milden Winter beginnt die Blühphase mittlerweile früher als noch vor 20 Jahren. Das hat verheerende Auswirkungen auf das Brut- und Sammelverhalten der Honigbienen und damit auf die Wahrscheinlichkeit, dass sie den Winter überstehen. 

Wenn Klimazonen sich verschieben, kommen auch neue Parasiten ins Land, die den Bestäubern zu schaffen machen. Außerdem werden bestimmte Pflanzenarten durch Klimaveränderungen verdrängt, andere kommen neu dazu – damit verändert sich auch die Zusammensetzung der Wildbienenarten in Deutschland.

Das kannst du tun, um die Bienen zu schützen

Die Ursachen für den Artenverlust sind systemisch – deshalb bist du als Individuum auch nicht für die Lösung verantwortlich. Trotzdem sind die Beiträge von Einzelpersonen nicht zu unterschätzen, denn wir treffen täglich Konsumentscheidungen, gestalten unsere Umwelt, sprechen mit anderen Menschen, beeinflussen unsere Kinder und wählen unsere politischen Vertreter:innen. Hier sind drei Dinge, die du für die Bienen tun kannst.

1. Schaffe insektenfreundliche Habitate im Garten, auf dem Balkon oder auf dem Fensterbrett

Die Chancen stehen gut, dass du eh schon Wildbienen auf dem Balkon oder im Garten hast. Vielleicht nisten sogar welche in den Mauerritzen vor deinem Fenster. Um sie bei der Suche nach Pollen zu unterstützen, kannst du zwei Dinge tun: Wasser anbieten (ganz einfach) und bienenfreundliche Pflanzen ansiedeln (ein bisschen schwieriger). Mit einem vielfältigen, regional angepassten Buffet lockst du auch neue Gäste an. Und vielleicht ziehen deine Nachbar:innen nach, wenn sie sehen, wie bunt deine Bienenweide blüht! Mehr Informationen zum Start des eigenen Bienengartens findest du in diesem Blogbeitrag.

Eine Tränke kann Bienenleben retten. Statte sie unbedingt mit Kletterhilfen aus und wechsle das Wasser an heißen Sommertagen täglich!

Eine Tränke kann Bienenleben retten. Statte sie unbedingt mit Kletterhilfen aus und wechsle das Wasser an heißen Sommertagen täglich!

Wenn du einen eigenen Garten hast, kannst du wertvolle Nistangebote schaffen. Schütte mit einem Sand-Lehm-Gemisch eine kleine Böschung auf – es wird nicht lange dauern, bis dort Sandbienen und Seidenbienen ihre Nisthöhlen buddeln. Wenn du schon einmal dabei bist, einen Teil deines Gartens den Bestäubern zu überlassen: stecke doch ein paar Quadratmeter ab, auf denen Laub und Zweige liegen bleiben und Pflanzen wild wachsen dürfen! Zusätzlich kannst du dicke Äste aufstellen, in die du verschieden große Löcher bohrst – bitte in die Seite (also ins Längsholz, nicht ins Stirnholz) bohren und aufpassen, dass keine Splitter in die Nistlöcher ragen!

 

Schon gewusst? Wildbienenarten haben sehr skurrile Namen! Wir haben hier ein paar Beispiele für dich – kannst du erraten, welche zwei wir erfunden haben?

Dunkelfransige Hosenbiene, Purpurne Schmalzhaarbiene, Gewöhnliche Zwergblutbiene, Dreischenklige Doppelkornsandbiene, Stumpfzähnige Zottelbiene, Dunkle Lockensandbiene

 

2. Engagiere dich mit deinen Kaufentscheidungen für eine kleinbäuerliche ökologische Landwirtschaft

Unsere Nahrungsmittelproduktion muss den Bedürfnissen des modernen Menschen gerecht werden. Die Ressourcen, die dafür genutzt werden, sind trotzdem endlich. Damit auch nachfolgende Generationen genug zu essen haben, müssen wir heute schon Böden und Gewässer schützen, wertvolle Acker-Beikräuter kultivieren, im ländlichen Raum eine Vielfalt an Bestäubern erhalten – die To-Do-Liste ist lang.

Dein kleiner Beitrag: Wenn du kannst, kaufe Lebensmittel (vor allem Obst und Gemüse) regional, saisonal und in Bio-Qualität! Damit unterstützt du eine lokale, ökologische Landwirtschaft. Das reduziert Transportkosten (denn die Lebensmittel kommen aus dem Umland) und schont Boden, Gewässer und Insekten (denn im Öko-Landbau verzichtet man auf Pestizide und nutzt organische Düngemittel).

Uns ist bewusst, dass sich nicht jede:r Bio-Lebensmittel leisten kann. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten (wie der Inflation, die in diesem Jahr Verbraucher:innen belastet) ist es okay, wenn du hier nicht konsequent bist – es gibt viele andere Arten, dich für den Bienenschutz zu engagieren!

3. Informiere dich und sag’s weiter

Wissen ist Macht – und wer gut informiert ist, hat eine solide Grundlage für umweltfreundliche Entscheidungen. Nutze das Internet, um dich über Honig- und Wildbienen zu informieren. Auf dem Instagram-Kanal von Stadtbienen werden Wissenshäppchen anfängerfreundlich verpackt – du findest dort Wildbienen-Steckbriefe, Pflanzen-Guides und Tipps für deine eigene Bienenweide. Praktische Angebote gibt es bestimmt auch in deiner Stadt – wie zum Beispiel die kostenlosen Wildbienen-Exkursionen der Aurelia Stiftung in Berlin. 

Wenn du mit einem Honigbienenvolk auf Tuchfühlung gehen möchtest, empfehlen wir dir einen Stadtbienen-Schnupperkurs; dort lernst du, wie Honigbienen zusammenarbeiten und was eine ökologische (und damit vergleichsweise nachhaltige) Bienenhaltung ausmacht. Tausch dich mit Menschen aus, die dir wichtig sind, unterschreibe Petitionen und verbreite deine Botschaft in den sozialen Medien!

Stadtbienen-Schnupperkurs

Nur was man kennt, kann man schützen! Im Stadtbienen-Schnupperkurs nehmen wir dich mit in die faszinierende Welt der Bienen.

Fazit

Die Probleme der Bienen sind Menschen gemacht – deshalb haben wir auch die Lösungen in der Hand! Als Gesellschaft müssen wir gesunde, abwechslungsreiche Ökosysteme schaffen, die den Nist- und Nahrungsbedürfnissen von allen bestäubenden Insekten gerecht werden. Voraussetzung dafür ist, dass Politik und Wirtschaft die Wichtigkeit der Bestäuber anerkennen und ihren Erhalt zu einer Priorität machen. 

Jede:r Einzelne kann einen kleinen Beitrag leisten – wir können den eigenen Garten insektenfreundlich gestalten, Petitionen unterschreiben und mit unseren Kaufentscheidungen ein Zeichen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft setzen.

Über Stadtbienen

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Stadtbienen ist ein gemeinnütziges Sozialunternehmen mit Sitz in Berlin. Unsere Angebote und Projekte erreichen Kinder, Erwachsene und Unternehmen im gesamten deutschsprachigen Raum. Wir brennen für unsere Vision: Bienenvielfalt für gesunde Ökosysteme! Alle Infos auf stadtbienen.org

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